Interpretation zu Verweigerung,

Diskussion des Falls „Verweigerung“


Autor*in
Student*in Anonym |
Auswertungsmethode/n


Diskussion:

Am Anfang wird uns als LeserInnen die Ausgangslage verdeutlicht. In der Klasse wurde ein Stuhlkreis aufgebaut [vgl. Z.1]. Dabei ist unklar, wo genau die Lage ist (vor der Tafel oder an Stelle der Mittelreihe) und wer die Stühle zusammengestellt hat. Wir wissen ebenfalls nicht, ob es zum Stundenbeginn oder zur Stundenmitte spielt. Ein Schüler sitzt jedoch nicht im Stuhlkreis, was eventuell eine Konsequenz aus seinem problematischen Verhalten zuvor darstellen könnte. So hätte ihn die Lehrerin bewusst aus dem Stuhlkreis ausgeschlossen, um dem Schüler sein Fehlverhalten zu verdeutlichen. Doch mit der Frage (vgl. Z. 4) kommt eine indirekte Aufforderung zum Ausdruck, sodass der Schüler 1 in den Stuhlkreis gebeten wird. Daher lässt es sich vermuten, dass dieses Kind von sich aus nicht am Unterrichtsgeschehen teilnehmen möchte.  Seine Antwort „Nein.“ (Z.5) bestätigt diese Vermutung. Hier wird uns schon ein kleiner Konflikt bewusst, da der Schüler der Aufforderung der Lehrerin nicht nachkommt. Entweder hat er die Frage der Lehrerin nur als solche verstanden oder er nimmt die indirekte Aufforderung bewusst nicht an. Falls dies der Fall ist, zeigt sich hier schon ein als schwierig interpretierbares Verhalten. Die Lehrerin möchte anschließend den Grund für sein Verhalten wissen und fügt die Aussage „Das wäre ganz schön schade.“ (Z.6) hinzu. Damit möchte sie dem Schüler 1 womöglich freundlich in sein Gewissen reden und ihm verdeutlichen, dass er ihr wichtig ist, um den Unterricht zu gestalten. Dadurch, dass das Kind diese Bedeutungszuschreibung bekommt, ist einer kurzen abweisenden Antwort des Schülers vielleicht entgegengetreten worden. Wäre die Lehrkraft laut und bestimmend aufgetreten, dann würde der Schüler im Anschluss eventuell keine oder nur eine unpassende Antwort geben. Seine Reaktion auf die Frage „Warum denn nicht?“ (Z.6) wirkt erstmal abweisend. „Schüler 1 dreht sich zum Fenster. Sein Rücken zeigt jetzt zum Stuhlkreis“ (Z.7). Dieses Verhalten soll der Lehrperson vielleicht signalisieren, dass der Schüler in Ruhe gelassen werden möchte. Er baut dadurch den Konflikt noch weiter aus. Jedoch scheint die freundliche Aussage [„Das wäre ganz schön schade“ (Z.6)] doch etwas bewirkt zu haben. Er gibt der Lehrerin und der Klasse eine Antwort, dass er nicht neben Schüler 2 sitzen möchte. Mit dieser Aussage steht die Lehrerin im Zwiespalt. Sie kann einerseits das Problem auflösen, indem sie die Sitzordnung variiert. So würde entweder Schüler 1 oder Schüler 2 seinen Platz wechseln müssen. Dann könnte sie wahrscheinlich auch mit dem Unterricht beginnen bzw. ihn fortführen. Andererseits muss sie den SchülerInnen verdeutlichen, dass so ein Problem gar nicht auftreten darf. Auch, wenn es einen privaten Konflikt zwischen den Kindern gibt, sollte dieser im Unterricht vergessen werden. Das könnte sie in diesem Fall Schüler 1 noch einmal verdeutlichen, ihn noch einmal in den Stuhlkreis bitten oder ihn am Rand sitzen lassen. Aber bevor die Lehrkraft auf die Aussage von Schüler 1 antworten kann, kommt eine Schülerin zu Wort. Sie sagt, dass die Stühle von Schüler 1 und Schüler 2 gar nicht nebeneinander stehen. Dies verdeutlicht uns die Größe des Konflikts zwischen den beiden Kindern. Sie sitzen „nur“ indirekt nebeneinander und trotzdem hat Schüler 1 ein Problem damit. Um den Konflikt nun zu lösen, bittet die Lehrerin den Schüler 2 seinen Platz zu wechseln. Dies fordert sie wieder nur indirekt durch eine Frage (Z.11: „Schüler 2, würdest du zu mir kommen“). Sie könnte diese Lösungsvariante gewählt haben, da sie aus Erfahrung weiß, dass Schüler 1 nur in diesem Fall sein Verhalten ändert. Sie muss außerdem das Vertrauen in Schüler 2 haben, dass er ihrer Bitte auch nachkommt und nicht ebenfalls zum schwierigen Schüler wird. Dass die Frage der Lehrerin positiv für Schüler 1 wirkt, zeigt seine Reaktion darauf. Er unterlässt sein abweisendes Verhalten und dreht sich wieder zur Klasse um (vgl. Z. 12). Dies zeigt seinen inneren Willen am Unterricht teilnehmen zu wollen und nicht mit Absicht den Unterricht zu stören oder die Lehrerin zu ärgern. Er muss aber noch das Verhalten von Schüler 2 abwarten, der auf seinem Platz sitzen bleibt und den Mundwinkel nach untern zieht (vgl. Z.13). So können wir vermuten, dass er seinen Platz nicht wechseln möchte. Vielleicht möchte er neben seinen FreundInnen sitzen bleiben oder er möchte nicht neben der Lehrerin sitzen. Ihm ist es womöglich auch gleichgültig wo er sitzt und er möchte aus Prinzip nicht nachgeben. Falls die zwei Kinder in Konflikt stehen, würde es sich für Schüler 2 dann anfühlen, als ob Schüler 1 „gewonnen“ hätte. Dies könnten Gründe dafür sein, dass er der Aufforderung der Lehrerin nicht nachkommt. Erst als sie ihn das zweite Mal bittet, und dieses Mal mit einer klaren Aufforderung statt einer Frage, verlässt er seinen Platz. Somit hat die Lehrkraft die problematische Situation entschärft und Schüler 1 keine Anreize mehr gegeben, sein schwieriges Verhalten fortzuführen. Daraufhin setzt sich schließlich Schüler 1 auf den freigewordenen Platz (vgl. Z.17) und die Lehrerin kann den Unterricht fortführen.

Obwohl die Lehrkraft nur wenige klare Anweisungen gegeben hat, hat sich die problematische Situation entschärft. Dafür waren wahrscheinlich die Erfahrungen im Umgang mit diesem Schüler hilfreich. Dieses Beispiel verdeutlicht uns eine bewusste Verweigerung wie im Kapitel schon erwähnt wurde. Im folgenden Teil betrachten wir einen anderen Schüler, der den Anweisungen der Lehrerin nicht nachkommt. Jedoch löst sich dieser Konflikt anders aus.