Interpretation einer Reflexion der Unterrichtsstunde


Autor*in
Annemarie Treffehn |
Auswertungsmethode/n


Interpretation:

 

Im Nachhinein betrachtet war ich mit dem Verlauf der Unterrichtsstunde sehr zufrieden.

Das Wort „Unterrichtsstunde“ lässt uns auf den Kontext Schule deuten. Aber auch eine Unterrichtsstunde in der Musikschule, eine Sport- oder Reitstunde wären möglich. Die Rolle der Person ist nicht klar. Es könnte sich um einen Lehrer, einen Schüler, pädagogischen Mitarbeiter oder ein Elternteil handeln. Demnach ist auch nicht sicher, wer die Stunde gehalten hat. Die Person könnte sie selbst gehalten haben oder in der Stunde zugeguckt haben.

„Im Nachhinein“ zeigt einen Rückblick. Die Frage ist auch, ob die Person in der Stunde oder direkt danach nicht zufrieden war. Man könnte es vermuten. „Im Verlauf“ ist unspezifisch und es ist unklar, ob die Person nur mit dem Verlauf zufrieden war und nicht mit der ganzen Stunde, oder ob die Person einfach nur den Verlauf reflektiert.

Die Struktur der Stunde war gut und der Ablauf sowie der Aufbau schlüssig.

Es ist nicht klar, ob es sich hier um eine Selbstreflexion handelt oder ob eine andere Person, wie z.B. die Mentorin die Stunde reflektiert. Weiter kann man immer noch nicht deuten, in welchem Kontext die Stunde stattfindet. Es sind alle oben genannten Situationen noch möglich.

Weiter stellt sich die Frage, ob „Struktur, Ablauf und Aufbau“ nicht Synonyme sind. „Schlüssig“ steht für einen roten Faden und ist die Konkretisierung von „gut“. Man kann vermuten, dass jetzt ein „aber“ als nächstes kommt.

Die SchülerInnen haben aktiv mitgemacht und seht gut und begeistert mitgearbeitet.

Die Vermutung wurde nicht bestätigt. Die Person schreibt nicht mehr allgemein über die Stunde, sondern geht konkreter auf die SchülerInnen ein. Weitere Informationen, wie Alter der Schüler oder Schulform weiß man nicht. Auch hier kann man „mitgemacht“ und „mitgearbeitet“ als Synonyme deuten. Weiter ist „mitmachen“ immer aktiv. Passiv kann man nicht „mitmachen“. „Sehr gut“ beschreibt eine Lehrerperspektive, wobei „begeistert“ die Schülerperspektive zeigt. Weiter wurden in dem Satz viele Adjektive über „und“ miteinander verbunden.

Der Kontext Schule wird jetzt wahrscheinlicher. Das Adjektiv „aktiv“ lässt auch Überlegungen zu Bewegungen oder Spielen zu.

Bei der Geschichte haben die SchülerInnen gut zugehört und waren ruhig.

Hier kann jedes Fach gemeint sein: ob Sportstunde, Musikstunde, Arbeitsgemeinschaft oder Entspannung in der Mittagspause.

Die Frage ist, woran „gut zugehört“ erkennbar ist. Was sind die Merkmale davon? Es ist keine messbare Größe. Weiter bedeutet es das Gleiche, wie „ruhig“ und beide Wörter stammen aus der Lehrerperspektive. Man könnte denken, dass „gut zugehört“ später überprüft wurde. Zum Beispiel könnte man vermuten, dass danach das Wissen abgefragt wurde oder die Person definiert leise Schüler als „gut zugehört“.

Auch hier wurde die Konjunktion „und“ verwendet. Es fallen langsam die vielen positiven Adjektive auf.

Das Lesen der Wörter an der Tafel bereitete nur Na. Schwierigkeiten.

Es kann immer noch jedes Fach möglich sein. Durch „nur“ wird das Problem herunter gespielt. Na. wird mit anderen Schüler verglichen. Sie sind die Vergleichsnorm. Es stellt sich die Frage, was das Ziel der Stunde war. War das Ziel das Lesen der Wörter?

Man könnte vermuten, dass Na. im weiteren Verlauf der Stunde spezielle Förderung erhält und daher in der nächsten Sequenz erwähnt wird. Weiterhin könnte man vermuten, dass es sich um eine 1. Klasse handelt,
welche durch Frontalunterricht Lesen lernt und momentan jeder Schüler etwas von der Tafel ablesen muss.

Die Schwierigkeiten von Na. werden nicht weiter spezifiziert. Liegt das Problem an der Schrift, Lesefähigkeit, Sehfähigkeit, fehlende Lesehilfen (Farbe, Silbenbögen)?

Ph. war mit seiner Aufmerksamkeit schnell woanders, wenn er nicht mehr gefordert war.

Die angestellten Vermutungen haben sich nicht bestätigt. Es wird ein neuer Schüler aufgegriffen. Fraglich ist, ob es nicht normal ist, dass Schüler abschweifen, wenn sie nicht mehr gefordert sind. Dazu müsste man „fordern“ auch definieren.

Ph. muss außerdem auch deutliche Verhalten zeigen, ansonsten könnte man nicht erkennen, auf was er seine Aufmerksamkeit legt. Es fällt auf, dass nur Probleme aneinandergereiht werden. Es werden typische „Problemschüler“ reflektiert. Die Vermutung des Frontalunterrichts bleibt bestehen und wird immer wahrscheinlicher. Es fällt auf, dass die Unterrichtsprobleme nicht auf sich selbst bezogen werden.

Für ihn würde ich in einer nächsten Stunde das Niveau heben, in dem ich beispielsweise extra Arbeitsblätter parat habe, die er separat bearbeiten kann.

Jetzt kommt es zu einer Art Selbstreflexion. Diese ist aber grob und unspezifisch („Beispielsweise“). Es werden sich aber Gedanken zur Problemlösung gemacht. Es wird eine quantitative Differenzierung vorgeschlagen. Wird durch die erhöhte Anzahl von Arbeitsblättern das Niveau gehoben? Bezieht man die letzte Sequenz mit ein, so ist Forderung mit Beschäftigung gleichzusetzen.

Es wird ein Exklusionssetting mit der Idee zur Differenzierung deutlich. Der Konjunktiv „würde“ zeigt, dass es nicht gleich die nächste Stunde sein muss. Eventuell war das die letzte Stunde von der Person in der Klasse. Es wird jetzt aber deutlich, dass die Reflexion aus einer Art Lehrerperspektive kommt und die Person die Stunde gehalten hat.

Die anderen Kinder kamen gut mit dem Tempo mit.

Ph. war quasi schneller. Kam er dann sehr gut mit dem Tempo mit? Es findet wieder ein Vergleich statt. Wie ist das Tempo definiert? Was ist schnell und was langsam? Diese Faktoren sind wahrscheinlich lehrergegeben. Die Vermutung des Frontalunterrichts wird deutlich und es wird ein Lernen im Gleichschritt gefordert.

Außerdem wird mit „die anderen Kinder“ die Sache abgetan. Damit wäre es ja erledigt. Reicht es der Person die Mehrheit anzusprechen und der Rest ist halt anders und bekommt andere Arbeitsblätter?

Das Adjektiv „Gut“ wird wieder wiederholt.

Der Kontext Schule ist sehr wahrscheinlich. Doch können auch andere ähnliche Kurse, z.B. an einer Volkshochschule nicht ausgeschlossen werden. Bis zum Ende erfährt man keine weiteren Merkmale zu den Schülern (Klasse, Schulform) und zum Unterricht (Thema, Fach).

Auch wird nicht viel selbst reflektiert. Fraglich ist, wie es der Person in der Stunde ging, ob alles nach Plan gelaufen ist und was wie gut umgesetzt wurde. Die Person beschreibt, wie sie die Schüler in der Stunde wahrgenommen hat.

 

Kontrastierungslinien

Methodik im Unterricht:

Schaut man sich die zusammenhängende Reflexion an, kann man einen Frontalunterricht vermuten. Weiter ist keine Orientierung an dem individuellen Lernstand wahrscheinlich. Es wurde sehr wahrscheinlich keine Differenzierung vorher geplant und eher das Lernen im Gleichschritt angestrebt. Es ist zu vermuten, dass sich die Person stark an ihre Planung gehalten hat. Sie erwähnt keine Planänderung

Sicht auf SchülerInnen:

Die Sicht ist eher defizitorientiert, bzw. stehen die Schüler, die „anders“ sind im Mittelpunkt. Es werden dafür zwei Einzelbeispiele gegeben, sowie die andere Schülerschaft gegenübergestellt. Am Anfang wird aber auch über die Schüler als Masse gesprochen. Anfangs werden die Schüler gelobt, und dann zwei Schüler kritisiert.
Ihr Fokus in der Stunde scheint auf der Fachkompetenzentwicklung zu liegen.

LehrerInnenpersönlichkeit/- einstellung:

Man könnte denken, dass die Person Vielfalt nicht als Chance sieht. Weiter sieht sie sich mehr als Lehrmeisterin, und weniger als Lernbegleiterin. Dadurch, dass sie „alles“ als gut ansieht, außer die zwei Schüler, scheint sie sicher zu sein. Durch die geringe persönliche Reflexion, kann man aber nicht allzu viele Aussagen treffen.

Reflexion allgemein:

Die Reflexion gibt nur einen kleinen Einblick in den Prozess und wertet das Ergebnis. Unklar ist beispielsweise die Zufriedenheit mit der Planung. Es gibt auch keine Schlussfolgerungen und Selbstlob oder Selbstkritik. Im Ganzen ist die Reflexion sehr sparsam gehalten.