Interpretation zu Meine Mama sagt…,

Analyse zum Fall „Meine Mama sagt…“ (20D_0013)


Autor*in
Lea Sophie Fischer |
Auswertungsmethode/n



Thema:
Stigmatisierung von Kindern mit Migrationshintergrund

Methode:
Objektive Hermeneutik

Entstehungskontext:
AuPP


Feinanalyse

Im Folgenden soll mithilfe der objektiven Hermeneutik die beobachtete Situation analysiert werden. Ich beschränke mich bei der Interpretation zunächst auf den ersten Interakt:

(Zeile 8) K1: „E1, weißt du was? Mein Bruder hat morgen Geburtstag.“

Der Wortbeitrag wurde von einer weiblichen Person mit dem Namen K1 geäußert und richtet sich an eine erwachsene Person, E1. K1 spricht E1 mit ihrem Nachnamen an. Indem sie die Anrede „Frau“ nutzt, verwendet sie eine Praktik der Höflichkeit. Anschließend stellt K1 eine rhetorische Frage. „Weißt du was?“ ist eine umgangssprachliche Redensart, wobei die fragende Person keine Antwort erwartet, sondern lediglich die Aufmerksamkeit des Gesprächspartners verstärkt und darauf aufmerksam macht, dass sie etwas erzählen wird, was das Gegenüber vermutlich noch nicht weiß. Eine Besonderheit besteht jedoch darin, dass K1, trotz der formellen Anrede E1 duzt. Dies könnte auf eine persönliche Beziehung oder auf eine Vertrautheit hinweisen. Es scheint plausibel, dass die beiden Personen sich kennen. Unmittelbar nachdem K1 die rhetorische Frage stellte, beantwortet sie diese Frage selbst. Die Aussage „Mein Bruder hat morgen Geburtstag.“ beinhaltet die Information, dass K1 einen Bruder hat sowohl als auch, dass dieser Bruder am folgenden Tag Geburtstag hat. Die Tatsache, dass K1 von dem Geburtstag ihres Bruders erzählt, eine private Information weitergibt, verstärkt außerdem den Aspekt der Vertrautheit zwischen den beiden Personen. Grundsätzlich hat die Aussage von K1 einen allgemeinen Mitteilungs- und Informationscharakter. Die rhetorische Frage hebt die darauffolgende Information hervor und steigert die Aufmerksamkeit des Gesprächspartners. Unklar ist, ob K1 mit der Mitteilung ein weiterführendes Ziel verfolgt und auf etwas Bestimmtes hinaus möchte, oder ob sie lediglich eine Konversation anregen möchte. Unklar bleibt ebenfalls die Ausdrucksseite der Aussage. Ist K1 genervt, begeistert, aufgeregt oder nervös?
In welchem Kontext könnte diese Frage von K1 getätigt wurden sein? Die Spannbreite möglicher Kontexte ist weit ausgeprägt. Beispielsweise könnte K1 eine Nachbarin oder eine Bekannte treffen und mit ihr ein Gespräch anfangen (Lesart 1). Denkbar ist jedoch auch, dass K1 auf Arbeit einer Kollegin von dem Geburtstag ihres Bruders erzählt (Lesart 2). Um den möglichen Kontext einzugrenzen, unterstellen wir zunächst erst mal, dass die Aussage von einem Kind getätigt wurde. Das erscheint plausibel, da das Duzen bei gleichzeitiger Anrede mit dem Nachnamen auf ein Kindergarten- beziehungsweise Schulalter hinweisen könnte. Weiterhin wird die Frage „Weißt du was?“ häufig von Kindern gestellt. Darüber hinaus nimmt die Stellung von Geburtstagen bei Kindern bekanntermaßen eine große Bedeutung ein, da sie sich besonders auf solche Ereignisse freuen. Ausgehend von dieser vorläufigen Behauptung ergibt sich ein kleineres Maß an Lesarten. Lesart 1, das Treffen mit einer Bekannten oder einer Nachbarin, bleibt jedoch bestehen. Ebenfalls naheliegend ist, dass es sich um ein Gespräch mit einer Pädagogin beziehungsweise einer Aufsichtsperson handelt. Dies würde den Bereich „Bildung & Erziehung“ betreffen. Dementsprechend könnte sich die Situation in folgenden Kontexten ereignen: Kinderbetreuung, Nachhilfeunterricht, Sportverein, Schule oder Schulhort, Kita (Lesart 3). Die Spannbreite möglicher pädagogischer Kontexte ist jedoch weitaus größer und die Aufzählung gibt nur einen kleinen Einblick. Denkbar ist auch, dass es sich bei E1 um eine Verkäuferin handelt und K1 bei dieser ihr bekannten Verkäuferin etwas für ihren Bruder einkaufen möchte (Lesart 4).
An dieser Stelle kann man überlegen, wie E1 auf die Äußerung von K1 reagieren könnte. Abhängig von dem Ausdruck und den vermittelten Emotionen der Aussage könnte E1 ihre Freude oder Begeisterung (Vermutung 1) ausdrücken. Ebenso könnte sie K1 fragen, wie alt ihr Bruder wird (Vermutung 2), was für den folgenden Tag geplant ist (Vermutung 3) oder was K1 ihrem Bruder zum Geburtstag schenken wird, beziehungsweise schenken möchte (Vermutung 4). Wenn man davon ausgeht, dass K1 sich nicht über den Geburtstag ihres Bruders freut, könnte E1 ebenfalls ihr Mitgefühl ausdrücken (Vermutung 5). Des Weiteren besteht auch die Möglichkeit, dass E1 kein Interesse an der Aussage K1s zeigt (Vermutung 6) oder dass sie gar nicht auf die Aussage eingeht, indem sie beispielsweise das Thema wechselt (Vermutung 7).

(Zeile 9) E1: „Hallo erst mal, K1. Das ist aber toll. Wie alt wird dein Bruder denn?“

Konfrontieren wir diese Überlegungen nun mit der tatsächlichen Äußerung: Hallo erst mal, K1. Das ist aber toll. Wie alt wird dein Bruder denn? Zunächst begrüßt E1 K1 mit der Formulierung „Hallo erst mal, K1.“. Die Tatsache, dass E1 K1 begrüßt, lässt darauf schließen, dass die Unterhaltung mit der vorherigen Aussage von K1 begonnen wurde. K1 muss demnach die Initiantin des Gesprächs sein. Auffällig ist jedoch, dass eine Begrüßung von K1 aus nicht stattfindet, da sie die Konversation direkt mit der Frage „E1, weißt du was?“ begann. Folglich ist E1 diejenige, die zuerst eine Begrüßung formuliert, obwohl sie die Unterhaltung nicht initiiert hat. „Erst mal“ bedeutet dabei am Anfang oder an erster Stelle in einer Reihenfolge und bezieht sich auf das „Hallo“. Die Frau sagt mit der Formulierung aus, dass man sich erst mal begrüßen muss. Die Aussage kann dabei auf unterschiedliche Lesarten interpretiert werden. Lesart I umfasst eine ausschließlich höflich und freundlich gemeinte Begrüßung seitens der Frau. Im Gegensatz dazu beinhaltet Lesart II einen strengen, auffordernden, erzieherischen, sowohl als auch verärgerten Unterton. Die Frau könnte darüber erbost sein, dass K1 sie nicht zuerst begrüßt hat. Unabhängig von der Betonung könnte die Frau mit dieser Formulierung die Absicht hegen, K1 zur Etikette und Höflichkeit zu erziehen. Womöglich will sie ihr gutes Benehmen beibringen. Außerdem ist die Aussage der Frau verbunden mit der Aufforderung den begangenen Fehler, das Nicht-Grüßen, zu beheben. In beiden Lesarten erwartet die Frau vermutlich eine Reaktion, die ein Zurückgrüßen beinhaltet. Die Aussage hat demnach einen Aufforderungscharakter. Sollte E1 tatsächlich einen Erziehungsauftrag mit der Begrüßung verfolgen, könnte man vermuten, dass es sich um eine pädagogische Fachkraft handelt, was wiederum Lesart 3 bestätigen würde. Nichtsdestotrotz können Lesart 1 und Lesart 4 nicht ausgeschlossen werden. Auffallend ist, dass E1 K1 mit ihrem Vornamen anspricht, während K1 die Frau mit ihrem Nachnamen anredete. Aus diesem Grund kann man vermuten, dass ein Altersunterschied zwischen den beiden Personen besteht, was die Kindhypothese unterstützt. Im Anschluss an die Begrüßung folgt die Aussage „Das ist aber toll.“, mit der die Frau ihre Begeisterung über den bevorstehenden Geburtstag von K1s Bruder ausdrückt und damit Vermutung 1 bestätigt. Die Aussage hat einen Wertungscharakter, da E1 den bevorstehenden Geburtstag und K1s Einstellung als positiv auffasst und bewertet. Ausgehend von diesem Verhalten kann man schlussfolgern, dass K1 einen begeisterten Eindruck bezüglich des Geburtstages vermittelt haben muss. Weiterhin deutet dies ebenfalls eher auf Lesart I hin. Auch wenn E1 mit der Aussage „Hallo erst mal, K1.“ ein erzieherisches Ziel verfolgte, meinte sie die Begrüßung wahrscheinlich eher freundlich und nicht verärgert. Allerdings könnte die Aussage „Das ist aber toll.“ auch ironisch oder genervt ausgedrückt worden sein. In diesem Fall könnte dies genau das Gegenteil bedeuten und je nach Ausdruck und den vermittelten Emotionen Vermutung 5 oder Vermutung 6 bestätigen. Sollte die Aussage eine andere versteckte Information enthalten, dann könnte dies ebenfalls auf Lesart II hinweisen. Da E1 jedoch im Anschluss die Frage „ Wie alt wird dein Bruder denn?“ stellt, verweist dies eher auf ein aufrichtiges Interesse. Mit der Frage wird ebenfalls die Vermutung 2 bestätigt. In Bezug auf die Lesarten kann keine weitere Eingrenzung vorgenommen werden. Da jedoch die Frage nach dem Alter gestellt wurde, erscheint Lesart 4 sehr plausibel zu sein. E1 könnte diese Frage nämlich gestellt haben, um ein geeignetes Geschenk für K1s Bruder zu finden. Die gestellte Frage hat dabei einen Aufforderungscharakter, da E1 die Erwartungshaltung einnimmt, dass K1 ihr nun verrät, wie alt ihr Bruder wird.
K1 könnte auf E1s Wortbeitrag reagieren, indem sie sich für das Vergessen der Begrüßung entschuldigt (Vermutung 1) und / oder E1 zurückgrüßt (Vermutung 2). Des Weiteren könnte sie auf die Äußerung „Das ist aber toll.“ eingehen, indem sie die Aussage bestätigt (Vermutung 3) oder verneint (Vermutung 4). Am wahrscheinlichsten ist jedoch die Beantwortung der Frage „Wie alt wird dein Bruder denn?“, da diese direkt zu einer Beantwortung auffordert (Vermutung 5).

(Zeile 10) K1: „14. Und Mama hat gesagt, dass wenn…“

(Zeile11) K2 betritt den Raum. E1 und K1 drehen sich nach ihm um.

Zuerst einmal fällt auf, dass K1 nicht auf die Begrüßung reagiert. Sie antwortet direkt auf die von E1 gestellte Frage nach dem Alter des Bruders. Diesbezüglich gibt sie an, dass ihr Bruder 14 Jahre alt wird, und bestätigt die Vermutung 5. Darüber hinaus möchte sie E1 noch etwas Weiteres mitteilen („Und Mama hat gesagt, dass wenn …“), beendet den Satz jedoch nicht. Daraus ergibt sich, dass K1 sich auf eine Aussage von ihrer Mama beziehen wollte. Die Konjugation „wenn“ weist daraufhin, dass K1 eine Bedingung ausdrücken wollte, unter der eine bestimmte Sache realisiert wird oder realisiert werden könnte. Was hätte sie E1 noch mitteilen wollen? Plausibel erscheint etwas, was im Zusammenhang zum Geburtstag des Bruders steht oder zum genannten Alter. Gleichwohl findet eine Unterbrechung statt, indem ein Junge den Raum betritt. E1 und K1 drehen sich nach dem Jungen um. Ihr Interesse und ihre Aufmerksamkeit wird spontan auf den Jungen umgelenkt. Ob sie den Jungen kennen, ist unklar. Aus diesem Interakt geht außerdem hervor, dass sich E1 und K1 in einem Raum aufhalten. Die Szene spielt sich folglich in einem Gebäude ab. Bezogen auf die Lesarten kann man festhalten, dass alle drei vermuteten Lesarten (1, 3, 4) weiterhin möglich sind.
Wenn man nun überlegt, wie es weitergehende könnte, kommt man auf folgende Möglichkeiten. Einerseits könnten K1 und E1 zu ihrem Gespräch zurückfinden und K1 könnte ihre Aussage vervollständigen (Vermutung 1). Denkbar ist auch, dass der Junge die beiden Personen begrüßt (Vermutung 2). Andersherum könnten auch K1 und E1 den Jungen begrüßen (Vermutung 3). Aus der Begrüßung könnte sich dann möglicherweise eine Konversation zu dritt entwickeln (Vermutung 4).

(Zeile 12) E1: „Guten Tag, K2.“

(Zeile 13) K2 antwortet nicht. Er geht zum Fenster und setzt sich dort auf einen Stuhl.

Der Junge begrüßt die beiden Personen nicht. Anstelle dessen begrüßte E1 den Jungen, wodurch Vermutung 3 in Kraft tritt. Die Begrüßung seitens E1 hat wiederum einen Aufforderungscharakter, doch K2 geht nicht darauf ein. Er geht zum Fenster und setzt sich dort auf einen Stuhl. Das Hinsetzen deutete daraufhin, dass er an diesem Ort verweilen wird für eine unbestimmte Zeit. Es handelt sich demzufolge um einen Aufenthaltsraum. Ausgehend von diesem Interakt kann man außerdem die Hypothese aufstellen, dass der Junge E1 bekannt ist, da sie dessen Namen kennt. Weiterhin sollte betrachtet werden, dass E1 erneut ein Kind zuerst grüßt und dieses Kind somit an die Norm des Begrüßens erinnert. Ob sie diesem Erziehungsauftrag, den sie damit verfolgt, in einer Bildungseinrichtung oder in einem anderen Kontext nachgeht, sei erst einmal dahingestellt, ebenso, ob sie dies beruflich oder aus persönlicher Verpflichtung tut. Warum K2 die Begrüßung nicht erwiderte und sich zu einem Platz am Fenster zurückgezogen hat, kann ebenfalls nicht genau gesagt werden. Motivunterstellungen würden an dieser Stelle zu weit gehen. Allerdings kann man sagen, dass er sich aus der Situation zurückziehen und in Ruhe gelassen werden möchte. Der Rückzug zu einem Platz am Fenster könnte für das Bedürfnis stehen, der Situation zu entfliehen. Wenn man nun die Gesamtsituation betrachtet, ergibt sich folgendes Bild. Die Szene spielt sich in einem Gebäude ab. Es sind mindesten zwei Kinder und eine erwachsene Person anwesend. Diese Person kennt beide Kinder beim Namen. In Anbetracht dieses Bildes erscheint der Bildungs- und Erziehungskontext sehr wahrscheinlich (Lesart 3). Lesart 1 ist ebenfalls noch immer möglich. Beispielsweise könnte K1 ein Gespräch mit einer Bekannten über ihren Bruder führen. In diesem Zusammenhang ist es möglich, dass K2 dieser besagte Bruder ist. Das würde außerdem erklären, warum K1 aufgehört hat, über seinen Geburtstag zu sprechen. Lesart 4 hingegen wird zunehmend unwahrscheinlicher. Das Kennen der Namen und die Tatsache, dass K2 den Raum betritt und sich hinsetzt, stimmt eher weniger mit dem Kontext eines Einkaufsladens überein.
E1 könnte nun auf unterschiedliche Art und Weise auf das Verhalten von K2 reagieren. Denkbar ist, dass sie K2 erneut begrüßt und ihn somit ein weiteres Mal zu einer Reaktion auffordert (Vermutung 1). Außerdem könnte sie ihn tadeln, indem sie ihn direkt auf das Nicht-Grüßen anspricht und ihn an die gesellschaftliche Konvention erinnert, die mit dem Betreten eines Raumes einhergeht (Vermutung 2). Des Weiteren besteht die Möglichkeit, dass E1 sich K1 wieder zuwendet und sie das Gespräch weiter führen, ohne auf das Verhalten von K2 einzugehen (Vermutung 3). K1 könnte auch auf das Verhalten von K2 reagieren, indem sie K2 ebenfalls grüßt (Vermutung 4) oder ihn auf sein Fehlverhalten anspricht (Vermutung 5).

(Zeile 14-15) K1: „E1, K2 hat heute schon wieder nicht mit uns im Sportunterricht mitgemacht. Er saß nur am Rand.“

Es findet keine Tadelung durch E1 statt, denn die Reaktion erfolgt von K1. Sie nimmt das Gespräch mit E1 wieder auf, ohne jedoch über das vorherige Geburtstagsthema zu sprechen. Allerdings geht sie auch nicht auf das Nicht-Grüßen von K2 ein und bestätigt damit die Vermutung 3. Anstelle dessen berichtet sie vom heutigen Sportunterricht und gibt dabei eine Information über den Jungen K2 preis. Dieser soll nicht am Sportunterricht teilgenommen haben. Ihr scheint dabei bewusst zu sein, dass dieses Verhalten nicht lobenswert ist. Diese Aussage hat demnach einen Bewertungscharakter. Die Formulierung „schon wieder“ deutet darauf hin, dass die Situation sich mindestens zuvor schon so einmal ereignet hat. K1s Ergänzung „Er saß heute nur am Rand.“ unterstützt ihre Aussage zusätzlich noch einmal und verdeutlicht das Fehlverhalten. „Nur“ ist dabei deutlich negativ konnotiert. Es betont die abwertende Haltung gegenüber K2s Verhalten und hebt die Tatsache hervor, dass mehr, in diesem Fall eine Teilnahme, erwartet wurde. Warum teilt K1 E1 das Fehlverhalten K2s mit? Die Motive sind vielfältig und nicht ganz eindeutig. Fest steht jedoch, es handelt sich tatsächlich um Schulkinder. Der Verweis auf die Teilnahme am Sportunterricht impliziert dies. Dass es sich bei K2 und K1 um Schulkinder handelt, bedeutet jedoch nicht, dass die Situation sich im Kontext „Bildung & Erziehung“ (Lesart 3) abspielen muss. Es macht dies jedoch wahrscheinlicher. K1 könnte jedoch auch im Kontext der Lesart 1 über ihren Bruder sprechen. Denkbar ist auch, dass K2 nicht ihr Bruder ist, sondern nur ein Nachbarskind, und dass E1 auf beide Kinder nach der Schule aufpasst. Allerdings würde die Kinderbetreuung wiederum in das Feld „Bildung & Erziehung“ fallen. Die Lesarten 1 und 3 lassen diesbezüglich viele verschiedene Möglichkeiten zu. Außer Zweifel steht jedoch, dass E1 eine autoritäre Rolle übernimmt. K1 sieht in ihr vermutlich eine Autoritäts- oder Vertrauensperson und teilt ihr deshalb das beobachtete Fehlverhalten mit. Umgangssprachlich könnte man hier von „petzen“ reden, dass würde jedoch K1s Verhalten werten. Auch die Frage, warum K2 nicht am Sportunterricht teilnehmen wollte, bleibt offen im Raum stehen. Ob er den Sportunterricht nicht mag, er sich nur zurückziehen wollte, er krank ist, eine Verletzung hat oder mit den anderen Kindern nicht klar kommt und deshalb nicht teilgenommen hat, kann nicht genau gesagt werden.
Nun könnten folgenden Reaktion folgen: E1 könnte zuallererst einmal ihre Überraschung beziehungsweise auch ihr Entsetzen zeigen (Vermutung 1). Weiterführend könnte sie auf die Aussage von K1 eingehen, beispielsweise indem sie K1 nach einem Grund fragt, oder sie bittet zu erzählen, was genau vorgefallen ist (Vermutung 2). Sie könnte auch K2 direkt auf sein Fehlverhalten ansprechen, indem sie ihn nach einem Grund fragt (Vermutung 3) oder ihn für sein Fehlverhalten tadeln (Vermutung 4). Eine weitere Möglichkeit ist, dass E1 K1 für das „Petzen“ tadelt, da dies auch negativ konnotiert sein kann (Vermutung 4). Tatsächlich beantwortet E1 die Aussage folgendermaßen:

(Zeile 16) E1: „Echt? K2, warum wolltest du denn nicht mitmachen? Sport macht doch Spaß.“

E1 geht auf die Information von K1 ein. Die Frage „Echt?“ kann dabei auf zwei verschiedene Lesarten interpretiert werden. Einerseits könnte es die Überraschung oder Verwunderung über das Versäumnis der Teilnahme sein (Vermutung 1), andererseits könnte es auch eine tatsächliche Nachfrage in Bezug auf den Wahrheitsgrad K1s Aussage sein. Ausformuliert könnte die Frage dann folgendermaßen laute: Echt und das stimmt? Wobei in beiden Varianten der Moment der Überraschung deutlich wird. Ob die Frage an K2 oder an K1 gerichtet ist, wird nicht ganz deutlich. Zum einen könnte sie K1 nach dem Wahrheitsgrad fragen, zum anderen könnte es sein, dass sie sich zu K2 wendet und ihn damit fragt, ob K1s Aussage wahr ist. Zweiteres erscheint einleuchtend zu sein, da sie im Anschluss K2 direkt anspricht und ihn nach einem Grund für die Verweigerung der Teilnahme fragt (Vermutung 3). Mit der Frage „K2, warum wolltest du denn nicht mitmachen?“ setzt sie voraus, dass der Grund nicht auf eine Krankheit oder eine Verletzung zurückzuführen ist, sondern eine Sache des „Wollens“ ist. Das bedeutet, sie geht davon aus, dass es eine bewusste Entscheidung war, nicht am Sportunterricht teilzunehmen. Dies wird unterstützt durch die Aussage „Sport macht doch Spaß.“. Mit dieser Aussage impliziert sie, dass der Grund für die Verweigerung der Teilnahme eine Unlust am Sport ist und negiert die vorherige Frage. Weiterhin verdeutlicht sie mit der Aussage ihre positive Einstellung zum Sport und drückt damit gleichzeitig ihr Unverständnis für die Verweigerung der Teilnahme aus. Im Allgemeinen kann man sagen, dass dieser Wortbeitrag von E1n einen Aufforderungscharakter hat. Mit der Frage nach dem Grund, bei gleichzeitiger Unterstellung, dass der Grund eine Unlust ist, die sie wiederum verurteilt, regt sie dazu an, dass K2 sein Verhalten und seine Unlust rechtfertigt. Umgangssprachlich würde man hier von „in die Enge treiben“ sprechen. Die Lesarten 1 und 3 bleiben weiterhin realistisch.
Was könnte nun als Nächstes folgen? K2 könnte auf die Fragen von E1 eingehen und erklären, warum er nicht mitgemacht hat, beziehungsweise nicht mitmachen wollte (Vermutung 1). Eine weitere Möglichkeit ist, dass sich K2 bloßgestellt oder in die Ecke getrieben fühlt und daher keine Stellungnahme abgibt (Vermutung 2). Denkbar ist ebenfalls, dass K1 eine Vermutung über die Ursache der Sportverweigerung anstellt und dies E1 mitteilt (Vermutung 3).

(Zeile 17) K1: „E1 der versteht sie doch eh nicht.“

(Zeile 18) K2 steht auf und geht aus dem Raum.

Keine der Vermutungen tritt ein. K1 reagiert auf den Wortbeitrag von E1 und erinnert diese daran, dass K2 sie nicht verstehen kann. Die Wortwahl mit dem Gebrauch von „der“ und „eh nicht“ ist dabei wiederum negativ konnotiert und somit abwertend. „Der“ verdeutlicht dabei, dass sich E1 und K1 nicht mit K2, sondern sich über ihn unterhalten. Die Verwendung von „eh nicht“ verstärkt das Defizit, was K2 in Bezug auf das Verstehen zugeschrieben wird. K1 scheint demgegenüber eine negative Haltung anzunehmen und verurteilt ihn möglicherweise für die fehlenden Verständniskompetenzen. Die Frage ist, versteht K2 sie wirklich nicht, tut er nur so, als würde er sie nicht verstehen oder unterstellt K1 ihm das lediglich? Falls er sie tatsächlich nicht verstehen sollte, kann man sich fragen, warum er sie nicht versteht? Weist K2 ein akustisches oder ein sprachliches Defizit auf? Das bleibt unklar. Im Anschluss an K1s Kommentar steht K2 auf und verlässt den Raum. Ob dies nun die Folge der Konversation zwischen K1 und E1 ist oder ob man dies auf einen anderen Grund zurückführen kann, ist ebenfalls aus der Interaktion nicht herauszunehmen. Möglicherweise ist ihm bewusst, dass über ihn gesprochen wird und es ist ihm unangenehm. Vielleicht hat er auch genau verstanden, was über ihn gesprochen wurde, möchte sich jedoch nicht dazu äußern und diese Situation umgehen.
Ausgehend von dieser Sequenz kann man annehmen, dass E1 ihm hinterhergeht und mit ihm alleine spricht (Vermutung 1). Denkbar ist auch, dass E1 K1 hinterherschickt, um ihn beispielsweise zurückzuholen (Vermutung 2). Des Weiteren könnten K1 und / oder E1 K2 hinterherrufen (Vermutung 3). Eine weitere Möglichkeit ist, dass keiner etwas unternimmt und die Konversation zwischen K1 und E1 weiterfortgeführt wird (Vermutung 4).

(Zeile 19-20) K1: „Der geht bestimmt jetzt wieder zu L1. Eigentlich darf man das ja nicht, also den Hortraum verlassen.“

Vermutung 4 wird bestätigt, indem K1 das Gespräch mit E1 wieder aufnimmt. Sie stellt folgende Behauptung auf: Der geht bestimmt jetzt wieder zu L1. Diese Aussage hat einen rein spekulativen Charakter. Wir können nicht genau wissen, ob K2 tatsächlich zu L1 gegangen ist. Wer L1 ist, können wir ebenfalls nicht wissen. Die Formulierung „wieder“ weist jedoch darauf hin, dass die Flucht zu L1 zuvor mindestens einmal stattgefunden haben muss. Auffällig ist außerdem, die erneute Verwendung des Pronomens „der“, was abermals negativ konnotiert sein kann. Die Verwendung verstärkt außerdem die Gegebenheit, dass nicht mit, sondern über K2 geredet wird. Weiterhin trifft K1 die Aussage: Eigentlich darf man das ja nicht, also den Hortraum verlassen. K1 verweist mit dieser Aussage auf eine anscheinend bestehende Regel hin, dass man nicht den Hortraum verlassen darf. Der Gebrauch des Wortes „eigentlich“ verdeutlich, dass die Einhaltung der Regeln der Normalfall ist und es sich jetzt hier um eine Sondersituation handelt. Dass ein Kind den Hortraum verlässt, stellt demnach eine Ausnahme dar. Damit macht K1 E1 auf ein weiteres Fehlverhalten seitens K2s aufmerksam. Die negative Einstellung K1s gegenüber K2 wird deutlicher. Ob sie einen persönlichen Konflikt mit K2 hat oder Regelbrüche und nonkonformes Verhalten nicht toleriert, sei dahingestellt. So oder so, der Verurteilungscharakter der Aussage wird deutlich. Aus dem Interakt geht außerdem hervor, dass sich die Szene in einem Hortraum abspielt. Die Hypothese, dass es sich um Kinder und eine Pädagogin in einer Bildungsinstitution handelt (Lesart 3), kann demnach sicher bestätigt werden. Mit diesem Hintergrund erscheint die Hypothese, dass es sich bei L1 ebenfalls um eine pädagogische Kraft handelt, sinnvoll.
E1 könnte nun K1s Vermutung zustimmten (Vermutung 1) oder diese widerlegen (Vermutung 2). Weiterhin könnte sie K1s negative Einstellung übernehmen und ihre Emotionen in Bezug auf das Fehlverhalten zeigen (Vermutung 3) oder sie berichtigt K1 und gibt ihr zu verstehen, dass das Verhalten nicht zu verurteilen ist (Vermutung 4). Die Möglichkeit, dass E1 dem Jungen hinterhergeht (Vermutung 5) oder dass sie K1 hinterherschickt (Vermutung 6) besteht weiterhin.

(Zeile 21-22) E1: „Das stimmt schon K1, aber da machen wir eine Ausnahme. Das ist doch so mit der Hortleiterin abgesprochen, dass K2 zu L1 darf.“

Konfrontiert mit der tatsächlichen Reaktion ergibt sich die Bestätigung der Vermutung 1 und der Vermutung 4. Mit der Aussage „Das stimmt schon K1“ stimmt E1 K1s Vermutung, dass K2 zu L1 geht, sowohl als auch der Regel „eigentlich darf man den Hortraum nicht verlassen“, zu. Mit dieser Zustimmung übernimmt E1 die negative Haltung von K1, negiert dies aber wieder mit der Aussage „aber da machen wir eine Ausnahme“. Damit erlaubt sie K2 das Verlassen des Hortraumes und appelliert gleichzeitig an K1s Einstellung, das Verhalten von K2 nicht zu verurteilen. Des Weiteren verweist die „Ausnahme“ die bei K2 gemacht wird auf eine Art Sonderstellung, die er einnimmt. Es stellt sich die Frage, warum wird bei ihm eine Ausnahme gemacht? Im Anschluss rechtfertigt E1 die „Ausnahme“ mit der Erklärung: Das ist doch so mit der Hortleiterin abgesprochen, dass K2 zu L1 darf. Aus der Aussage geht hervor, dass ein Gespräch über K2 mit der Leitung des Horts stattgefunden haben muss. In diesem Gespräch wurde beschlossen, dass K2 zu L1 gehen darf. Diese Erlaubnis gibt ihm die Freiheit den Hortraum zu verlassen, ohne dafür getadelt zu werden. Allerdings stellt sich die Frage, warum er zu L1 geht beziehungsweise gehen möchte und warum es ihm erlaubt wird, wenn es den anderen Kindern nicht erlaubt wird? Womöglich aufgrund der von K1 unterstellten Verständnisschwierigkeiten. Möglicherweise ist L1 auch ein Vertrauenslehrer oder ein Sonderpädagoge mit dem K2 besonders gut klarkommt. Es gibt viele mögliche Erklärungen.
K1 könnte nun wie folgt reagieren: Sie könnte die Begründung von E1 verstehen (Vermutung 1) oder kein Verständnis zeigen beziehungsweise weiter eine negative Haltung gegenüber K2 einnehmen (Vermutung 2). Auf zweiteres könnte dann beispielsweise eine Phrase wie „Warum darf K2 das und die anderen Kinder nicht?“ folgen. Letztendlich könnte K1 auch einfach das Thema wechseln (Vermutung 3).

(Zeile 23) K1: „Meine Mama hat gesagt, dass die Ausländer nicht auf deutsche Frauen hören.“

Bei dieser Aussage scheint zuerst nicht ganz klar zu sein, welche Vermutung zutrifft. Einerseits könnte K1 einen Themenwechsel vollzogen haben (Vermutung 3), andererseits könnte diese Aussage fortwährend auf K2 bezogen sein. In diesem Fall würde K1 weiterhin eine negative Darstellung K2s verfolgen und Vermutung 2 bestätigen. Sehen wir uns die Aussage zunächst etwas genauer an. Die Formulierung „Meine Mama hat gesagt“ weißt eindeutig daraufhin, dass K1 eine Aussage ihrer Mama wiedergeben möchte. K1s Mama hat die These aufgestellt, „dass die Ausländer nicht auf deutsche Frauen hören“. Der Gebrauch des Wortes „Ausländer“ scheint hier negativ konnotiert zu sein. In welchem Zusammenhang die Mutter diese Aussage getroffen hat, ist unklar. Setzt man dies in Relation zu dem vorherigen Gespräch, kommt man zu folgenden Schlüssen. In dem Hortraum befinden sich zwei weibliche Personen, K1 und E1. K2 hat auf keine ihrer Aussagen reagiert. Da K1 das Thema Ausländer angebracht hat, kann man aufgrund der Verständnisschwierigkeiten K2s vermuten, dass er ein Migrant ist. K1s Schluss wäre demzufolge: Da K2 ein Ausländer ist, spricht er nicht mit deutschen Frauen, sondern möchte zu L1. Mit ihrer Aussage würde sie K2 unterstellen, dass er vorsätzlich nicht reagiert hat und dass dies nicht auf Verständnisschwierigkeiten zurückzuführen ist, so wie es K1 anfangs behauptet hat. Womöglich möchte K1 das K2 auch gar nicht unterstellen, sondern ihr ist die Aussage ihrer Mutter in diesem Zusammenhang eingefallen und sie möchte mit E1 über dieses Thema sprechen.
Je nachdem wie E1 die Aussage K1s verstanden hat, könnte sie auf unterschiedliche Art und Weise auf diese Aussage reagieren. Sie könnte K1 deutlich machen, dass sie nicht mit ihrer Aussage übereinstimmt (Vermutung 1), sie könnte K2s Verhalten rechtfertigen (Vermutung 2) oder sie könnte mit K1s Aussage übereinstimmen (Vermutung 3). Außerdem könnte E1 mit K1 darüber sprechen, warum ihre Mama das gesagt hat und warum sie der Meinung ist und K1 fragen, ob sie auch dieser Meinung ist (Vermutung 4).

(Zeile 24-25) E1: „Das stimmt aber nicht bei allen, vielleicht bei manchen. Und weißt du K1, K2 weiß das eben noch nicht besser. Der kennt das nicht anders von zu Hause. Der wird das schon noch lernen.“

E1 schwächt die Aussage K1s ab, indem sie die Hypothese aufstellt: Das stimmt aber nicht bei allen, vielleicht bei manchen. Mit der Formulierung „Das stimmt aber nicht bei allen“ widerspricht sie K1s Aussage, dass alle Ausländer nicht auf deutsche Frauen hören. Damit behauptet sie, dass nicht alle Ausländer gleich sind, und warnt somit vor einer Generalisierung und vor Stereotypen. Sie stimmt der Allgemeingültigkeit der Aussage demnach nicht zu und bestätigt Vermutung 1. Mit der Formulierung „vielleicht bei manchen“ zeigt sie, dass man auch nicht umgekehrt für alle Ausländer sagen kann, dass sie auf deutsche Frauen hören, da es durchaus möglich ist, dass manche das eben nicht tun. Sie wandelt folglich die Allgemeingültigkeit der Aussage in Einzelfälle um. Indem E1 K1 über Vorurteile belehrt, nimmt sie ihren Erziehungsauftrag wahr. Anschließend formuliert sie: Und weißt du K1, K2 weiß das eben noch nicht besser. „Und weißt du K1“ stellt eine rhetorische Frage nach dem Wissensstand K1s dar. Außerdem hat die Formulierung einen belehrenden Charakter, der verdeutlicht, dass E1 eine Autoritätsperson mit mehr Wissen und mehr Lebensalter ist. Aus der Aussage „K2 weiß das eben noch nicht besser“ geht hervor, dass E1 K1s vorherige Aussage auf K2 bezogen hat. Aus diesem Grund kann man davon ausgehen, das K2 ausländische Wurzeln hat. Das K2 „es eben noch nicht besser“ weißt, bezogen auf die vorherige Aussage von K1, bedeutet, dass K2 nicht mit deutschen Frauen redet. Damit bestätigt E1 K1s Aussage im Einzelfall K2 und geht mit Vermutung 3 einher. Allerdings rechtfertigt E1 K2s Verhalten damit, dass er es „eben noch nicht besser“ weiß und bestätigt somit ebenfalls Vermutung 2. Sie begründet sein Fehlverhalten demnach mit einem Defizit des Wissens. Der Gebrauch der Konjunktion „noch“ verdeutlicht, dass er es im Moment nicht besser weiß, aber es in Zukunft besser wissen wird oder kann. Hierbei wird klar, dass sie nur von einem temporären Verhalten ausgeht und nicht von einem bestehenden. Als weiteren Grund für das Verhalten K2s nennt sie das Elternhaus als Vorbild: Der kennt das nicht anders von zu Hause. Mit dieser Aussage impliziert E1, dass es in K2s Familie so ist, dass Männer nicht auf deutsche Frauen hören. Die Frage ist, weißt sie das sicher, da sie die Familie kennt, oder unterstellt sie es? Nichtsdestotrotz rechtfertigt sie das Fehlverhalten mit einem schlechten Vorbild der Eltern, bei dem er sich dieses Verhalten angeeignet hat. E1 geht jedoch davon aus, dass K2 mehr dazuzulernen und sein Verhalten dementsprechend anpassen wird: Der wird das schon noch lernen. Es stellt sich die Frage, was wird er schon noch lernen? Die Sprache? Mit deutschen Frauen zu reden? E1 scheint diesbezüglich sehr zuversichtlich zu sein und denkt, es ist eine Frage der Zeit. Die Aussage hat folglich einen Prophezeiungscharakter. Anders gesehen könnte man die Aussage als eine Art Drohung sehen, dass K2 dazu verpflichtet ist, sich anzupassen.

Zusammenfassung

Ausgehend von der Fallanalyse hat sich folgendes Bild der Szene ergeben: Die Situation ereignet sich in einem Hortraum einer sozialpädagogischen Einrichtung. Das Schulkind K1 und E1, vermutlich eine Erzieherin oder pädagogische Fachkraft der Einrichtung, führen ein Gespräch. Thema der Unterhaltung ist der Geburtstag K1s Bruders, der auf den nachfolgenden Tag fällt. Die Unterhaltung wird unterbrochen, indem der Junge K2 den Raum betritt, woraufhin E1 diesen begrüßt. K2 reagiert jedoch nicht und zieht sich zu einem Platz am Fenster zurück. K1 erzählt daraufhin, dass K2 nicht am heutigen Sportunterricht teilgenommen hat. E1 zeigt ihre Überraschung und fragt K2 nach einem Grund. Dabei unterstellt sie ihm, dass die Verweigerung eine bewusste Entscheidung aufgrund einer Unlust war und nicht auf eine Krankheit oder eine Verletzung zurückzuführen ist. Bevor K2 sich rechtfertigen kann, erinnert K1 E1 daran, dass er sie „eh nicht“ verstehe. Da aus der Analyse hervorgeht, dass K2 ausländischer Herkunft ist, kann vermutet werden, dass K1 ihm ein sprachliches Defizit zuschreibt. Dabei scheint sie dies deutlich negativ zu bewerten. Im Anschluss steht K2 auf und verlässt den Hortraum. Nachdem K2 den Raum verlassen hat, wird weiterhin über ihn geredet. K1 stellt die Vermutung an, dass er wieder zu L1 geht. Dabei betont sie wiederum einen Regelbruch seitens K2s, das Verlassen des Hortraumes. Der verurteilende Charakter der Aussage wird deutlich. E1 rechtfertigt K2s Verhalten damit, dass bei ihm eine Ausnahme gemacht wird, vor allem da dies mit der Hortleitung abgesprochen sei. Anschließend gibt K1 eine missbilligende Bemerkung ihrer Mama wieder: Die Ausländer hören nicht auf deutsche Frauen. Der Begriff „Ausländer“ wird hier in einem negativen Zusammenhang gebraucht und schließt K2, als einen Jungen mit ausländischen Wurzel, mit ein. Damit unterstellt K1, dass K2 nicht auf deutsche Frauen hört und dass dies der Grund ist für seine Abweisung und die Flucht zu L1 ist. E1 reagiert darauf, indem sie vor einer Generalisierung warnt. Sie stimmt der Allgemeingültigkeit dieser Sichtweise nicht zu. Allerdings schreibt sie K2 diese Eigenschaft zu, indem sie sagt, dass er es noch nicht besser weiß. Des Weiteren spricht sie dem Elternhaus K2s die Verantwortung für dieses Verhaltens zu, da er es nicht anders von zu Hause kennt. Mit dieser These impliziert sie, dass in K2s Familie Männer nicht auf deutsche Frauen hören.
Zusammenfassend kann man sagen, dass der Charakter des Gesprächs einerseits gekennzeichnet ist durch Vermutungen, Zuschreibungen und Unterstellungen seitens K1 und E1 und andererseits durch Flucht, Isolation und Zurückhaltung seitens K2.