Interpretation zu „Ich will hier raus!“,

Analyse zum Fall „Ich will hier raus!“ (20B_0005)


Autor*in
anonym (Falleinreichung durch Zentrum für Lehrer*innenbildung) |
Auswertungsmethode/n


Thema:
Strafmaßnahmen als pädagogisches Mittel bei Regelverstößen
Methode:
Objektive Hermeneutik
Entstehungskontext:
AuPP


Feinanalyse

Die Kinder der Wohngruppe befinden sich zusammen mit einer Betreuerin im Flur und ziehen ihre Jacken und Schuhe an, um gemeinsam nach draußen auf den Spielplatz zu gehen. Eins der Kinder (K1) ist bereits fertig angezogen und steht an der Tür. Trotz ausdrücklicher Anweisung der Betreuerin, dass alle gemeinsam raus gehen, öffnet K1 die Tür und rennt nach draußen. Nach Aufforderung der Betreuerin kommt er zwar zurück, jedoch darf er als Strafmaßnahme für sein Verhalten nicht mit nach draußen auf den Spielplatz. Diese Einordnung der Situation wird bei der nachfolgenden Analyse im Sinne der Kontextfreiheit jedoch vorerst nicht beachtet.

(Zeile: 8) K1: „Ich will raus!“

Die Situation beginnt mit einer eindeutigen Willensbekundung seitens K1. Die Tatsache, dass er nach draußen möchte, setzt voraus, dass er sich in einem geschlossenen Raum befindet. Seine Willensbekundung ist demnach in gewisser Weise auch ein Verweis auf seine eingeschränkte Freiheit. Blendet man zunächst die oben beschriebenen Umstände der Situation aus, so kann sich dieser Sprechakt in vielen verschiedenen Kontexten ergeben haben. Denkbar wäre zum Beispiel, dass ein Kind dies zu einem Elternteil sagt. In diesem Kontext ist die Mutter/der Vater die Autoritätsperson und es herrscht somit ein autoritäres Gefälle bzw. eine gewisse Hierarchie zwischen ihr/ihm und dem Kind. Das Kind glaubt, sich die Erlaubnis einholen zu müssen. In der Aussage „Ich will raus!“ steckt also die versteckte Frage: „Darf ich raus?“. Neben der Frage nach Erlaubnis drückt die Verwendung des Wortes „will“ gleichzeitig eine starke Willensbekundung aus und verleiht der Aussage mehr Nachdruck. Dieser Sprechakt wäre neben dem Elternteil-Kind Kontext auch im Kontext Erzieher/-in – Kind bzw. Lehrer/-in – Schüler/-in denkbar oder in der Situation einer Entführung oder im Gefängnis. Dort erschießt sich jedoch die gleiche Bedeutungsstruktur wie bei der Elternteil-Kind Situation, denn in all diesen Kontexten herrscht ein autoritäres Gefälle. Die Person, die ihren Willen nach Freiheit (raus gehen) äußert, steht unter der adressierten Person und möchte sich deren Erlaubnis einholen. Ein letzter denkbarer Kontext wäre eine Spielsituation zwischen zwei Kindern. Im Spiel üben Kinder soziales Handeln, indem sie bestimmte Situationen nachstellen. In diesem Fall würde eine Situation nachgestellt werden, in der ein autoritäres Gefälle zwischen den Kindern herrscht, um den Umgang damit zu üben. Die Bedeutungsstruktur, die sich daraus erschließt, wäre somit die gleiche, wie bei den vorherigen Kontexten. Für den weiteren Verlauf der Situation ergeben sich drei logische Anschlussmöglichkeiten. Die erste wäre, dass die adressierte Person den Willen von K1 verweigert und somit ihre Autorität gebraucht. Dies erscheint besonders im Kontext Gefängnis oder Entführung sinnvoll, da die Insassen eines Gefängnisses nicht einfach nach draußen dürfen bzw. ein/-e Entführer/-in nicht einfach die entführte Person frei lässt. Die zweite Möglichkeit wäre das genaue Gegenteil, und zwar die Erlaubnis zu geben. Auch hier nimmt sich die Person, an die sich die Aussage richtet, der Autorität an und gibt eine Antwort auf die versteckte Frage („Darf ich raus?“). Denkbar wäre dies zum Beispiel im Kontext Elternteil-Kind, wenn das Kind beispielsweise nach draußen zum Spielen mit anderen Kindern möchte. Die letzte denkbare Anschlussmöglichkeit wäre das Ignorieren der Aussage. Ignoranz kann einerseits autoritären Charakter besitzen, wenn die adressierte Person die Antwort ganz bewusst verweigert. Andererseits kann es aber auch sein, dass die Frage gar keiner Antwort bedarf. In diesem Fall wäre es in Ordnung, dass K1 geht und die adressierte Person nimmt sich der Autorität nicht an, ihm dies zu erlauben oder zu verweigern. Denkbar wäre dies zum Beispiel im Kontext einer Vorlesung in der Universität, bei der K1 nicht verpflichtet ist, anwesend zu sein.

(Zeile 9) B1: „Nein, wer nicht gehorcht, muss mit den Konsequenzen leben.“

Die erste Anschlussmöglichkeit tritt ein. Die adressierte Person, in diesem Fall eine Betreuerin, verweigert K1‘ Willen und gibt ihm nicht die Erlaubnis raus zu gehen. Das klare „Nein“ gleich zu Beginn des Satzes verleiht ihrer Aussage einen absoluten Charakter und lässt somit keinen Diskussionsspielraum offen. Im Anschluss folgt eine Erklärung, warum sie sich dazu entschieden hat, K1 den Willen zu verweigern. Die Betreuerin verweist dabei auf eine Regelhaftigkeit, also dass ein Regelverstoß eine klare Konsequenz mit sich bringt. Dies verdeutlicht nochmals, dass ein Versuch der Verhandlung sinnlos ist. Die gesamte Aussage der Betreuerin ist sehr kalt und autoritär und fordert Gehorsam ein. Durch den beinahe militärischen Charakter der Aussage ist sie vor allem im Kontext Gefängnis denkbar. Die anderen Kontexte schließen sich allerdings auch noch nicht aus. Auf die Aussage der Betreuerin können zwei Anschlussoptionen folgen. Die erste Möglichkeit wäre, dass das Gespräch beendet ist. In diesem Fall ordnet sich K1 der autoritären Person (Betreuerin) unter und akzeptiert die besagten Konsequenzen. In gewisser Weise ist es somit auch ein Schuldeingeständnis, vorausgesetzt er hat wirklich etwas verbrochen. Im zweiten Anschlussszenario könnte K1 eine Diskussion beginnen. In diesem Fall bedeutet es eine Nichtakzeptanz der besagten Konsequenz bzw. auch der Autorität der Betreuerin und ein Versuch des Angleichens der Hierarchiestufen.

(Zeile 10) K1: „Aber alle anderen Kinder dürfen raus!“

K1 wählt die zweite Anschlussoption und akzeptiert die Konsequenz nicht, sondern beginnt mit der Betreuerin zu diskutieren. In der Aussage von K1 stecken jedoch ein gleichzeitiges Anerkennen und Nichtanerkennen der Autorität der Betreuerin. Das Nichtanerkennen wird durch die Widersetzung gegen die Konsequenz deutlich, jedoch zeigt die Verwendung des Wortes „dürfen“, dass K1 sich unterwürfig verhält und die Autorität anerkennt, indem er sich nur im Rahmen von Regeln versucht selbst zu bemächtigen. K1 fühlt sich ungerecht behandelt und fordert Gleichberechtigung ein, was durch den Vergleich mit den anderen Kindern deutlich wird. Der Verweis auf eine Gruppe von Kindern macht außerdem deutlich, dass diese Interaktion wahrscheinlich in einem institutionellen Rahmen (Kindergarten, Jugendheim etc.) stattgefunden hat. Der Kontext Elternteil-Kind schließt sich jedoch trotzdem nicht aus, denn K1 könnte sich auch auf Kinder beziehen, die sich nicht in seinem unmittelbaren Umfeld befinden (Freunde/-innen aus dem Kindergarten etc.). Allerdings lassen sich die Kontexte Gefängnis und Entführung ausschließen. Die Sinnstruktur dahinter (sehr autoritär, kalt) bleibt aber weiterhin erhalten. Im Folgenden hat die Betreuerin mehrere Möglichkeiten zu reagieren. Die erste Möglichkeit wäre ein Versuch der Erklärung, warum die anderen Kinder raus dürfen und K1 nicht oder ein Verweis darauf, dass der Vergleich mit den anderen Kindern nicht zielführend ist („Du bist aber nicht alle anderen“). In einem zweiten Szenario könnte sich die Betreuerin nicht auf die Diskussion einlassen und das Gespräch entweder nonverbal durch Ignoranz beenden oder indem sie verbal verdeutlicht, dass die Diskussion für sie beendet ist.

(Zeile 11) B1: „Aber alle anderen Kinder waren ja auch lieb.“

Die Betreuerin wählt die Anschlussmöglichkeit der Erklärung. Dabei übernimmt sie die Satzstruktur von K1 („Aber alle anderen Kinder…“) und stellt dadurch, genau wie er es zuvorgetan hat, einen Vergleich mit der Gruppe an. Die Betreuerin verweigert K1‘ Wunsch nach Gleichberechtigung und rechtfertigt die Strafe. Das „Lieb sein“ erscheint hierbei als oberste Priorität bzw. als Voraussetzung für Straffreiheit, wodurch eine Antinomie von Gut und Böse erzeugt wird. K1 hat die Regeln nicht beachtet, er war also böse, und die logische Konsequenz, die daraus folgt, ist das Verhängen einer Strafe. K1 hat nun zwei Möglichkeiten darauf zu reagieren. Er könnte entweder die Erklärung akzeptieren und damit die Diskussion beenden oder er bringt weitere Argumente hervor und die Diskussion wird fortgesetzt. Mit der Akzeptanz der Strafe ordnet er sich der Betreuerin (autoritäre Person) unter und gesteht sich die Schuld ein. Ein erneutes Hervorbringen von Argumenten würde eine Nichtakzeptanz der Regel/Strafe bzw. der Autorität bedeuten und somit den Versuch des Angleichens der Hierarchiestufen bzw. das Fordern nach Gleichberechtigung den anderen Kindern gegenüber.

(Zeile 12) K1: „Aber ich…“

Die zweite beschriebene Anschlussmöglichkeit tritt ein und K1 diskutiert weiter. Er beginnt wieder mit dem Wort „aber“ und verneint somit die zuvor getroffene Aussage der Betreuerin. Diesmal bezieht er sich jedoch nicht auf die anderen Kinder, sondern auf sich selbst. Außerdem ist erkenntlich, dass der Satz nicht beendet wird, sondern nach zwei Worten abbricht. Grund dafür könnte sein, dass die Betreuerin ihm ins Wort fällt oder dass K1 erkennt, dass eine weitere Diskussion nicht zielführend ist und aufhört zu sprechen. Damit ist auch gleich klar, welche Anschlussmöglichkeiten es nach dieser Aussage gibt. Die Betreuerin könnte K1 ins Wort fallen und weitere Argumente hervorbringen oder die Diskussion beenden oder es kommt keine Antwort von ihr und das Gespräch ist somit auch beendet.

(Zeile 13-14) B1 (fällt ins Wort): „Ich diskutiere jetzt nicht mehr mit dir! Zieh deine Jacke aus, du bleibst heute drinnen.“

Die Betreuerin wählt die Anschlussmöglichkeit K1 ins Wort zu fallen. Im ersten Satz vermittelt sie ihm klar und deutlich, dass für sie die Diskussion beendet ist. Dabei benutzt sie jedoch das Wort „jetzt“, was darauf hinweisen könnte, dass die Diskussion nur vorerst beendet ist und später fortgesetzt werden kann. Die Tatsache, dass die Betreuerin die Macht hat, das Gespräch zu beenden, verdeutlicht nochmals die Hierarchiestufen. K1 steht unter der Betreuerin und hat diese Befugnis im Gegensatz zu ihr nicht. Im zweiten Satz fordert die Betreuerin K1 dazu auf, seine Jacke auszuziehen. Durch die Verwendung des Imperativs bekommt die Aussage einen Befehlston und wirkt sehr autoritär bzw. fast militärisch. Damit passt sie wieder zu dem am Anfang erwähnten Gefängniskontext, zumindest was die dahinter liegende Bedeutungsstruktur betrifft. K1 kann nun folgendermaßen reagieren. Zum einen kann er der Aufforderung der Betreuerin nachgehen und seine Jacke ausziehen. Damit gibt er die Diskussion auf, ordnet sich ihrer Autorität unter und akzeptiert die verhangene Strafe. Zum anderen kann er sich der Aufforderung widersetzen, sowohl verbal, indem er weiter diskutiert, als auch nonverbal, indem er der Aufforderung seine Jacke auszuziehen, nicht nachkommt.

(Zeile 15) K1 setzt sich auf die Bank, er zieht weder Jacke noch Schuhe aus.

K1 entscheidet sich dazu, der Aufforderung der Betreuerin nicht nachzukommen und sich somit nonverbal zu widersetzen. Er hat seine Forderung nach Gleichberechtigung (nach draußen dürfen, so wie alle anderen Kinder) aufgegeben, denn er diskutiert nicht weiter. Andererseits demonstriert er durch die Nichterfüllung der Aufforderung indirekt weiter und nimmt sich somit der Autorität der Betreuerin bzw. der verhangenen Strafe doch nicht ganz an. Auf die Reaktion von K1 könnten nun folgende Anschlussmöglichkeiten folgen. Die Betreuerin könnte ihn wiederholt dazu auffordern, seine Jacke auszuziehen oder K1 tut dies nach kurzer Zeit selbst. K1 könnte allerdings auch probieren, die abgebrochene Diskussion fortzuführen.

(Zeile 16) B1 geht mit den anderen Kindern nach draußen. Als sie weg sind, fängt K1 an gegen die Tür zu treten.

Keine der erwarteten Anschlussmöglichkeiten tritt ein. Die Betreuerin beendet die Diskussion jetzt nicht nur verbal, wie sie es im vorherigen Sprechakt verdeutlicht hat, sondern verlässt sie auch körperlich, indem sie mit den anderen Kindern nach draußen geht. K1 bleibt zurück und wird aggressiv. Er richtet seine Aggression gegen Gegenstände, in diesem Fall die Tür. Die vorangegangene Diskussion hat nicht die gewünschte Gleichberechtigung gebracht und K1 möchte sich anders Aufmerksamkeit verschaffen oder seine Wut herauslassen. Als Reaktion auf K1‘ Verhalten könnte die Betreuerin zurückkommen oder sie ignoriert sein Verhalten. Eine weitere Option wäre, dass eine andere Person zu Hilfe kommt.

(Zeile 17) Eine zweite Betreuerin hört den Lärm, kommt in den Flur und geht auf K1 zu.

Die letzte vermutete Anschlussoption tritt ein und eine zweite Betreuerin kommt und geht auf K1 zu. Dass sie direkt auf ihn zugeht, deutet darauf hin, dass sie eine vertraute Person ist und die Bewahrung einer persönlichen Distanz nicht nötig ist. Außerdem hat die Betreuerin 2 offensichtlich ein Klärungsinteresse, sonst würde sie nicht den Kontakt zu K1 suchen. Wie diese Klärung aussieht, ist allerdings noch unklar. Die Betreuerin 2 könnte einerseits K1 zur Rede stellen, was einen gewissen Vorwurfscharakter mit sich bringt und eine Unterordnung bedeutet, andererseits könnte sie die Problematik erfragen. Die Erfragung der Problematik wäre im Gegensatz zum Vorwurf wohlgesinnt, da K1‘ individuelle Bedürfnisse anerkannt werden bzw. ein Interesse an den Hintergründen seines Verhaltens bekundet wird. Beide Möglichkeiten zielen aber darauf ab, K1 verbal davon abzuhalten, weiter gegen die Tür zu treten. Eine weitere Anschlussmöglichkeit wäre, dass die Betreuerin 2 K1 festhält und ihn so körperlich daran hindert aggressiv zu sein. Außerdem wäre als letzte Option noch denkbar, dass K1 davonläuft, weil er zum Beispiel zu der Betreuerin 2 doch nicht so ein vertrautes Verhältnis hat, wie zu Beginn vermutet, und er sich bedrängt fühlt.

(Zeile 18) B2: „Die Tür kann nichts dafür, dass du nicht mit raus darfst.“

Die Betreuerin 2 wählt die Möglichkeit, K1 verbal davon abzubringen gegen die Tür zu treten. Ihre Aussage besitzt dabei Vorwurfscharakter, denn die Tatsache, dass die Tür nicht schuld ist, impliziert, dass K1 die Schuld trifft. Es ist somit ein Appell an ihn, die Schuld bei sich selbst zu suchen. Die Betreuerin 2 spricht K1 dabei aber, wie bereits erwähnt, nicht direkt an und richtet diesen Appell an ihn („Hör auf gegen die Tür zu treten“), sondern versucht, dass er über die Vermenschlichung der Tür selbst zur Einsicht kommt. Denkbar wären nun drei Anschlussoptionen. K1 kann eine Diskussion beginnen um sein Verhalten zu rechtfertigen, wortlos aufhören gegen die Tür zu treten oder sich nicht von seinem Verhalten abbringen lassen.

(Zeile 19) K1 tritt erneut gegen die Tür.

K1 ignoriert die Aussage der Betreuerin 2 oder hat sie nicht gehört und tritt weiter gegen die Tür. Die Betreuerin 2 hat nun wieder drei Möglichkeiten zu reagieren. Sie kann körperlich eingreifen und K1 so daran hindern, gegen die Tür zu treten, sie kann versuchen ihn verbal zu überzeugen oder sie tut nichts und K1 setzt sein Verhalten fort.

(Zeile 20) B2: „Morgen darfst du wieder mit raus.“

Die Betreuerin 2 versucht erneut, K1 verbal von seinem Verhalten abzubringen. Diesmal besitzt ihre Aussage allerdings keinen Vorwurfscharakter, sondern zielt auf Beschwichtigung ab. Die Betreuerin 2 versucht K1 durch das Versprechen einer Belohnung (raus gehen) wieder zu beruhigen. Durch dieses Angebot hat K1 in gewisser Weise seinen Willen bekommen, denn er darf wieder raus. Jedoch bestimmt die Betreuerin 2, zu welchem Zeitpunkt dies geschieht (morgen). Durch die Aussage der Betreuerin 2 wird demnach außerdem deutlich, dass die Strafe („Hausarrest“/drinbleiben) nur für diesen Tag gilt und am nächsten Tag wieder aufgehoben ist. Als Anschlussoption könnte K1 entweder wortlos aufhören gegen die Tür zu treten oder weiter machen. Eine weitere Möglichkeit wäre, dass K1 das Gespräch mit der Betreuerin 2 sucht und Einsicht zeigt oder erneut beginnt zu diskutieren.

(Zeile 21) K1: „Morgen will ich aber nicht mehr raus!“

Es tritt die Anschlussoption der erneuten Diskussion ein. Der Versuch der Beschwichtigung der Betreuerin 2 zeigt also keine Wirkung bei K1. Stattdessen folgt von ihm eine starke Willensbekundung, was an dem Wort „will“ deutlich wird. Das Wollen („Morgen will ich…“) steht hier im Kontrast zum Dürfen („Morgen darfst du…“) und macht klar, dass K1 keinen Kompromiss mit der Betreuerin 2 eingehen möchte, sondern die Durchsetzung seines Willens sein Ziel ist. Auch das Wort „aber“ macht deutlich, dass K1 dem Beschwichtigungsversuch der Betreuerin 2 klar widersagt. Anschließend wären zwei verschiedene Reaktionen der Betreuerin 2 denkbar. Sie kann entweder versuchen K1 weiter zu beschwichtigen oder die Diskussion beenden.

(Zeile 22) B2: „Jetzt zieh deine Schuhe aus und komm ins Wohnzimmer.“

Die Betreuerin 2 entscheidet sich dazu, die Diskussion zu beenden. Sie ignoriert K1‘ Aussage bzw. geht nicht auf seine Willensbekundung ein. Stattdessen befielt sie ihm, seine Schuhe auszuziehen und ins Wohnzimmer zu kommen. Der Befehlston wird durch die Verwendung des Imperativs deutlich und die Aussage bekommt dadurch einen sehr autoritären Charakter. Dass K1 ins Wohnzimmer kommen soll und nicht in sein Zimmer geschickt wird, könnte darauf hinweisen, dass dort in der Gemeinschaft nochmal das Gespräch gesucht wird. Allerdings könnte diese Maßnahme auch der Kontrolle dienen, damit K1 nicht unbeobachtet bleibt und erneut aggressiv wird. Als Anschlussmöglichkeiten kommen nun in Frage, dass K1 entweder der Aufforderung nachkommt oder dass er sie verweigert und im Flur bleibt bzw. versucht weiter zu diskutieren.

(Zeile 23) B2 geht ins Wohnzimmer und lässt K1 allein im Flur zurück.

Die Betreuerin 2 verlässt die Situation und lässt K1 allein zurück. Eine Fortführung der Diskussion ist somit nicht mehr möglich und beendet diese zwangsläufig. K1 allein im Flur sitzen zu lassen bedeutet einerseits, ihn allein zu lassen mit seinem Problem, anderseits gibt es ihm auch den Freiraum, den er eventuell benötigt.