Interpretation zu Arbeitsverteilung,

Analyse des Falls „Arbeitsverteilung“


Autor*in
Joelle Wäldchen |
Auswertungsmethode/n


Frau K. teilt farbige Blätter aus, um die Klasse auf verschiedene Gruppen zu verteilen. Einer Gruppe fehlt eine Person.

Nun stellt sich die Frage, was passieren wird. Wird Frau K. die Gruppen trotz der ungleichen Anzahl an SuS beibehalten oder wird sie der Gruppe, welche ein Mitglied weniger hat, eine Art Bonus geben?

Frau K.: „Was machen wir jetzt mit der Gruppe, die eine Person weniger hat?“

Klar ist, dass die Lehrerin etwas an der Gruppensituation ändern will. Unklar ist, an wen sich Frau K. mit ihrer Frage richtet. Fragt sie die „benachteiligte“ Gruppe, einen einzelnen Schüler bzw. eine Schülerin oder die gesamte Klasse, wie man mit der Situation umgehen kann? Dabei scheint sie auf Vorschläge zu warten.

Verschiedene SuS: „Einen Punkt mehr.“ „Ja, gleich einen Punkt von Anfang an geben.“ „Genau.“

Hier bestätigt sich eine der Vermutungen: Frau K. sprach mit ihrer Frage die gesamte Klasse an, weil hier mehrere SuS antworten und mögliche Lösungen vorschlagen. Die Tendenz geht dabei dazu, der Gruppe mit fehlendem Mitglied einen Punkt im Voraus zu geben. Darauf folgen könnten weitere Vorschläge seitens der SuS oder aber eine Antwort von Frau K. Nimmt sie einen der Vorschläge an oder bringt sie eventuell einen eigenen an?

Frau K.: „Einer von euch bekommt einfach zwei Tiere. M., wie wäre es mit dir?“

Bestätigt wird die Vermutung des Vorschlags der Lehrerin. Frau K. geht dabei nicht auf die Vorschläge ihrer SuS ein, sondern bringt eine komplett andere Lösung. Zuerst spricht sie nur davon, dass ein Schüler eine Doppelaufgabe bekommen soll – dann spricht sie Schüler M. direkt an. Ist er besonders gut auf dem Gebiet oder warum soll gerade er diese Aufgabe übernehmen? Indem sie ihn fragt, gibt sie ihm die Möglichkeit, die Aufgabe abzulehnen.

M.. „Ja, okay.“

nimmt damit die Aufgabe an. Wie reagieren die anderen SuS auf diese Lösung? Gibt es Proteste. weil die eigenen Vorschläge nicht berücksichtigt wurden oder möchte ein anderer Schüler bzw. eine andere Schülerin die Doppelrolle übernehmen?

Frau K.. „Du schaffst das!“

Keine der Vermutungen wird bestätigt. Die restlichen Kinder der Klasse scheinen mit dieser Entscheidung zufrieden zu sein und akzeptieren diese. Keiner der restlichen SuS äußert sich und stattdessen spricht die Lehrerin M. Mut zu. Sie scheint ihren Schüler erneut von ihrer Wahl überzeugen zu wollen.

Fazit:

Ich werde diese Sequenz nun mit dem Modell der fünf Phasen der Gruppendynamik nach Bruce Tuckman verknüpfen. Nach diesem Modell gibt es die folgenden Phasen: Die Gründungsphase – das Forming; die Streit- und Auseinandersetzungsphase – das Storming; die Regelungs- und Übereinkunftsphase – das Norming; die Leistungs- und Arbeitsphase – das Performing sowie die Auflösungsphase – das Adjourning bzw. Re-Forming. Diese Phasen verlaufen nicht getrennt voneinander ab, sondern überschneiden sich in vielen Fällen.

Ähnlich ist es in der protokollierten Situation: Die Gruppen wurden von der Lehrerin eingeteilt und haben sich damit gefunden, wenn auch nicht auf freiwilliger Basis. Außerdem wird gefragt „Zu welchem Zweck sind wir zusammengekommen?“1 Das Ziel der Gruppen ist klar – sie möchten gegen die jeweils andere Gruppe gewinnen. Da die SuS der Klasse sich schon länger kennen, fällt das „Kennenlernen“ hier weg. Somit ist die erste Phase in dieser Sequenz durchaus vertreten. Doch auch die zweite und dritte Phase des Stormings und Normings lassen sich hier wiederfinden, da es um die Rollenfindung geht. Die Lehrerin bestimmt ein Kind, welches in einer Doppelrolle agieren soll, womit klar ist, wer welche Rolle einzunehmen hat. Streit gab es in dieser Situation nicht, obwohl es in der Storming-Phase üblich ist. Das Storming gilt dabei als Voraussetzung für ein gutes Miteinander, da die Beziehungen innerhalb der Gruppe gefestigt werden. Die festgelegten Rollen werden in der Gruppe zum Großteil akzeptiert, was sich auch in der vorliegenden Sequenz zeigt. Beim Norming gibt es eine „Erleichterung, weil eine arbeitsfähige Gruppe entsteht“.2 Auch diese zeigt sich im Protokoll – durch die Doppelbesetzung wird die Gruppe arbeitsfähig.

All dies dient als Grundlage für die vierte Phase des Performens, die sich nun anschließt. Im weiteren Verlauf der Stunde wird deutlich, dass die Gruppe in dieser Phase effektiv arbeitet, die Rollen nach der ersten Runde jedoch noch einmal gewechselt werden – auch der erneute Wechsel der Rollen gehört dieser Phase an. Nach der erledigten Aufgabe löst sich die Gruppe wieder auf. Die fünfte Phase des Re-Formings konnte ich in der Sequenz nicht beobachten, während es im weiteren Verlauf durchaus dazu kam, dass sich die SuS in einer Lern- und Bilanzphase befanden.


Literatur:

Tuckman, B.W. (1965). Developmental sequences in small groups

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1   Haberstroh, Max: Seminarmaterialien zum Thema Tuckmann

2   Ebd.