klar und deutlich


In einer pädagogisch-therapeutischen Tagesgruppe halten die Kinder und die Pädagoginnen täglich ein Auswertungsgespräch ab. Die Kinder reden über jeweils drei individuelle Ziele für den jeweiligen Tag.


Kontextbeschreibung:
In der integrativen Tagesgruppe werden Kinder und Jugendliche von 6 bis 14 Jahren mit psychosomatischen Auffälligkeiten, Verhaltens- und/ oder Lern- bzw. Leistungsauffälligkeiten, sowie Schwierigkeiten in der Beziehungs-, Konflikt- und Gruppenfähigkeit von Montag bis Freitag nach Schulschluss betreut.

Anwesende:
Kind (K), und zwei Pädagoginnen: P1, P2

Ort:
pädagogisch-therapeutische Tagesgruppe

Situation:
Sieben Kinder, zwei Pädagoginnen und die Praktikantin sitzen um einen großen Tisch herum. Es findet die tägliche Auswertungsrunde statt. Jedes Kind hat drei individuelle Ziele, die es jeden Tag versuchen soll zu erreichen. Die Kinder sind nacheinander an der Reihe, ihre Ziele zu nennen und zu reflektieren, ob sie sie heute umgesetzt haben. Danach bewerten die Pädagogen das Verhalten des Kindes und tragen es in einen Bogen ein. Für erreichte Ziele erhalten die Kinder nach der Auswertungsrunde Murmeln, die sie in einem Glas sammeln und später gegen ein Geschenk oder eine Aktivität einlösen können. Eines der drei Ziele von Kind K lautet: „Klar und deutlich sprechen.“


K hat den Kopf gesenkt, schaut vor sich auf die Tischplatte und sagt: „Klar und deutlich sprechen.“ [kurze Pause] „Hat geklappt.“, hebt den Kopf und schaut P1 an.

P1 (schaut K an): „Na überleg nochmal. Wir haben vorhin schon mal drüber geredet auf dem Weg.“, schaut dann kurz zur Praktikantin, deutet mit der Hand in ihre Richtung und schaut dann wieder zu K und sagt: „Das war zwar heute nicht direkt Babysprache, aber so schreiend und laut. Die Praktikantin hatte heute ein gutes Wort dafür: schrill.“

P2 (schaut K an): „Ja, so“, und gibt hohe, quäkende, quietschende Geräusche mit ungenauer Lautfolge von sich.

Die anderen Kinder lachen. K hat den Kopf wieder gesenkt und schaut vor sich auf den Tisch.

P1 beugt ihren Oberkörper nach vorn über den Tisch, schaut K an und sagt: „Verstehst du das?“

K starrt weiter vor sich auf den Tisch, es herrscht kurze Stille.

P1 schaut K immer noch an: „K, weißt du, was ich meine?“

K schaut immer noch vor sich auf den Tisch und schüttelt ganz leicht den Kopf.

P1 schaut K weiterhin an und sagt: „Erinnerst du dich, viele Kinder haben heute gesagt, du sollst aufhören, so laut zu schreien, zum Beispiel auf der Schaukel. Selbst mir ist das heute aufgefallen, obwohl wir heute gar nicht so viel miteinander zu tun hatten.“

P2 (schaut K an): „Ja, du bist manchmal so wie angeknipst.“, und schnippt mit rechter Hand lautlos in der Luft. „So.“, und schnippt erneut mit der rechten Hand.

Die Kinder lachen wieder, nicht ganz so laut wie beim ersten Mal. K schaut weiterhin vor sich auf den Tisch.

P2 (schaut K an): „Redest du zuhause auch so mit deiner Schwester, wenn die aufhören soll, was zu machen?“

K: „Nein.“, hebt den Kopf, schaut P2 an und spricht mit fester Stimme: „Da sag ich bitte hör jetzt auf.“

P2: „Ach so?“, schaut K an, zieht die Augenbrauchen hoch und schmunzelt.

P1 lacht kurz und leise, senkt den Kopf, schaut auf den Bogen vor sich und sagt: „Also da kriegst du heute grau.“, und macht ein Kreuz auf dem Zettel.

Autorschaft
anonym (Falleinreichung durch Zentrum für Lehrer*innenbildung, MLU) |
Erhebungskontext
Erhebungsmethode
Notizen

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